Neue Wege in der Vermögensnachfolge?

„Die Generation Erben“: Kaum ein anderes vermögensrechtliches Thema stellt Familien – Eltern wie Abkömmlinge gleichermaßen – vor so komplexe Herausforderungen wie die strukturierte und passende Weitergabe von Vermögenswerten in die nächsten Generationen. Auch emotional ist das Thema nicht immer einfach, verkörpert gerade eine Immobilie doch oft die Lebensleistung einer ganzen Familie.

von Daniel Widmann, Wolfgang Grosser und Nicola Struck, Notare in Geisenfeld und in Pfaffenhofen a.d. Ilm

Ein Blick auf das Zahlenwerk unterstreicht die Bedeutung in zweierlei Hinsicht:

Nach Erhebungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bzw. des Deutschen Instituts für Altersvorsorge liegt das jährlich vererbte bzw. übertragene Vermögen tief im dreistelligen Milliardenbereich. 46 % aller Nachlässe enthalten Immobilien – ein Nischenthema ist das nicht.

Die Erbschaftsteuer-Freibeträge hingegen wurden seit 2009 nicht mehr erhöht. Immobilienpreise hingegen haben sich seither um 50 bis 70 Prozent verteuert, in Ballungsräumen teils noch stärker – so das Institut der Deutschen Wirtschaft bereits 2022.

Es ist daher wenig verwunderlich, dass sich die Frage nach einer möglichst optimalen Gestaltung aufdrängt. Die vorweggenommene Erbfolge kann dabei helfen, Vermögen für die Familie zu erhalten und bestenfalls sogar zu vermehren.

Der heutige Beitrag soll ausdrücklich eine Anregung sein, abseits der klassischen Lösungen einen neuen Weg anzudenken und womöglich auch zu beschreiten. Folgende Hinweise dürfen aber freilich nicht fehlen: Keine noch so gute Steuerstruktur kann es aufwiegen, wenn zivilrechtlich ein unpassendes Ergebnis erzielt wird. Wichtig ist daher stets, dass die gewählte Struktur zur Familie passt und das Ergebnis steuerlich „im Griff“ ist. Insofern können die nachstehend aufgezeigten Ideen und Wege nur einen ersten Anstoß geben und müssen stets im Verbund aus Übergeber, Übernehmer, steuerlichen und zivilrechtlichen Beratern auf den Einzelfall abgestimmt werden.

Der familieninterne Kauf

Der familieninterne Kauf ist im Grunde keine Gestaltung der vorweggenommenen Erbfolge im engeren Sinne, da ein vollentgeltliches Rechtsgeschäft vorliegt. Folgendes Beispiel mag die Idee illustrieren: Ein Ehegatte verfügt über eine fremdvermietete Eigentumswohnung. Seit Anschaffung ist eine erhebliche Zeit (mindestens zehn Jahre) vergangen, der Zeitwert von EUR 400.000 liegt erheblich über dem Anschaffungswert von EUR 150.000. Die Immobilie ist ganz oder weitgehend „abgeschrieben“.

Die Abschreibung für Absetzung (kurz AfA, § 7 EStG) ermöglicht die Berücksichtigung der Anschaffungs- und Herstellungskosten einer Immobilie im Rahmen der Besteuerung der durch sie erzielten Einkünfte. Wie das Beispiel zeigt, bietet die dort genannte Eigentumswohnung ein Abschreibungspotential von bis zu EUR 400.000, tatsächlich genutzt werden jedoch nur EUR 150.000.

Durch einen grunderwerbsteuerfreien Verkauf zum Marktwert (§ 3 Nr. 4 GrEStG) an den anderen Ehegatten kann die Bemessungsgrundlage der AfA von EUR 150.000 auf bis zu EUR 400.000 erhöht und so ein durchaus relevanter einkommensteuerlicher Effekt durch eine erheblich erhöhte AfA erzielt werden. Sofern es sich um Privatvermögen handelt und die zehnjährige Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 EStG (sog. „Spekulationsfrist“) abgelaufen ist, erfolgt dieser Verkauf auch ohne Besteuerung des Veräußerungsgewinns. In ähnlicher Weise denk- und umsetzbar ist auch der grunderwerbsteuerfreie Verkauf an einen Abkömmling, § 3 Nr. 6 EStG.

Durch eine entsprechende Gestaltung der Kaufpreiszahlungsmodalitäten für den Käufer lassen sich weitere Effekte erzielen: Durch den Ankauf erlangt der Käufer die Vermieterstellung und damit anstelle des Verkäufers nun die Miete. Wird der Kaufpreis nur ratenweise zur Zahlung fällig, kann der Käufer mitunter eine externe Finanzierung vermeiden. Er kann er die Mieteinkünfte zur Bedienung der Raten verwenden und erlangt ein bis zu dem Kaufpreis entsprechendes Abschreibungspotential.

Zu beachten ist aber, dass die Gestaltung fremdüblich sein muss, um eine steuerliche Anerkennung zu erlangen. Die Kaufpreisstundung durch Ratenzahlung wird also in aller Regel zu einer marktüblichen Verzinsung führen. Ob die hieraus resultierende Rate durch die Mieteinkünfte gedeckt wird, ist eine Frage des Einzelfalls. Auf Veräußererseite können die Zinserträge wiederum der Besteuerung nach dem EStG unterfallen. Im Ergebnis kann aber auch so eine Lösung erzielt werden, die die Immobilie ohne Schenkung in die nächste Generation übergehen lässt, ohne schenkungsteuerliche Freibeträge anzugreifen und der übergebenden Generation trotzdem fortlaufende Einkünfte generiert.

Der Familienpool

Gerade bei hohen Grundstückswerten, die die schenkungsteuerlichen Freibeträge überschreiten, oder bei zentralem Familienvermögen, das langfristig vor der Zerschlagung oder schädlichen äußeren Einflüssen geschützt werden soll, kommt die Übertragung von Grundbesitz an eine Familiengesellschaft in Betracht, an der Erwerber (die Beschenkten) und Veräußerer (Schenker) regelmäßig nebeneinander beteiligt bleiben. Diese Gesellschaft wird regelmäßig eine Personengesellschaft wie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Kommanditgesellschaft sein.

Im Gegensatz zur Bruchteils-, Eigentümer- oder Erbengemeinschaft schützt der Familienpool das Vermögen vor Zerschlagung und wirtschaftlicher Vernichtung durch einzelne Beteiligte. Dem einzelnen Gesellschafter steht nur ein Kündigungsrecht zu, das aber im Gesellschaftsvertrag für lange Zeit (ca. 25 Jahre) ausge-schlossen werden kann. Eine Kündigung führt dann nur zum Ausscheiden des Gesellschafters, der dann nach den Regeln des Gesellschaftsvertrags abgefunden werden muss.

Der Familienpool ermöglicht eine exakte Steuerplanung. Alle zehn Jahre kann genau dosiert (z.B. zu 23,459 %), zur genauen erneuten Ausnutzung der Freibeträge, Vermögen an die nächste Generation übertragen werden. Auch die Einkommensteuerbelastung, die auf das Familienvermögen entfällt, kann bei einem Familienpool optimiert werden. Der Gewinnverteilungsschlüssel im Gesellschaftsvertrag kann bspw. so gewählt werden, dass die Erträge den Gesellschaftern mit dem geringsten Grenzsteuersatz zugerechnet werden.

Der (insbesondere initiale) Aufwand darf aber nicht unterschätzt werden: Die Gesellschaft verursacht einen gewissen Mindestaufwand für die Gründung und die laufende Verwaltung, etwa für die Eintragung im Gesellschafts- oder Handelsregister, Gesellschafterbeschlüsse und Steuererklärungen. Um die Gesamtkonzeption und damit den Gesellschaftsvertrag zu ändern, sind entsprechende Stimmenmehrheiten notwendig.

Eine Familiengesellschaft kann langfristig auch zu Streit führen, wenn Familienmitglieder, die sich nicht verstehen und unterschiedliche Interessen haben, gezwungen werden zusammenzuarbeiten. Darum kann es in manchen Fällen auch sinnvoll sein, vertraglich zu regeln, dass der Pool zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgelöst werden kann.

In schenkungsteuerlicher Hinsicht erlaubt der gesellschaftsrechtliche Weg auch die unproblematische Einbeziehung der nächsten (Enkel-) Generationen, da alle Erwerber unabhängig von ihrem Alter in eine klare, disziplinierende Gesellschafterstruktur eingebunden sind. Auch die Reduzierung des schenkungsteuerlich maßgeblichen Wertansatzes durch Vorbehalt eines Nießbrauchs in Bezug auf die Gesellschaftsanteile und/oder(!) den eingebrachten Grundbesitz ist bei entspre-chender Gestaltung möglich.

Zusammenfassung

Der vorstehende „Blick über den Tellerrand“ wird sicherlich nicht für jede Familie passend sein. Dem einen oder anderen mag er aber doch eine Anregung oder Inspiration geben – und bestenfalls auch zum rechtzeitigen Handeln animieren. Ihre notariellen und steuerlichen Berater begleiten Sie dabei gerne.