Herr Landrat, der Landkreis Pfaffenhofen wächst seit Jahrzehnten stark. Was bedeutet das für die Entwicklung des Standorts – gerade mit Blick auf Wohnraum?
Wenn man sich die Entwicklung anschaut, wird die Dimension deutlich: Seit 1900 hat sich die Einwohnerzahl im Landkreis Pfaffenhofen in etwa verdreifacht, seit 1987 liegen wir bei einem Zuwachs von rund 50 Prozent. Und selbst in den letzten Jahren – seit 2018 – sind noch einmal knapp fünf Prozent dazugekommen. Die Prognosen gehen bis 2042 von weiteren elf Prozent Bevölkerungszuwachs aus, also deutlich über dem bayerischen Durchschnitt.
Das ist eine große Chance, aber auch eine enorme Aufgabe. Es geht nicht nur darum, genügend Wohnungen zu schaffen. Es geht gleichzeitig um Kitas, Schulen, Mobilität, Pflege, Freizeitangebote – kurz: um eine funktionierende Daseinsvorsorge in der Fläche. Wachstum muss gestaltet werden, sonst kippt es.
Sie sprechen von Chancen. Wo sehen Sie die Stärken des Landkreises im Standortwettbewerb?
Wir haben mit rund 173 Einwohnern pro Quadratkilometer noch eine geringere Dichte als Bayern insgesamt. Das heißt: Wir haben Raum für weitere Entwicklung und gleichzeitig Freiräume, die in vielen Ballungsräumen nicht mehr vorhanden sind. Dazu kommt eine vergleichsweise junge Altersstruktur mit überdurchschnittlich vielen Kindern und Jugendlichen – also ein großes Nachwuchskräftepotenzial für unsere Unternehmen.
Unser Landkreis ist durch wirtschaftliche Dynamik und hohe Lebensqualität gewachsen. Aber Wachstum allein genügt nicht mehr. Entscheidend ist, ob es uns gelingt, attraktive Arbeitsplätze, innovative Unternehmen, lebendige Orte und einen verantwortungsvollen Umgang mit Flächen und Ressourcen auszubalancieren.
GrundBuch: Was heißt das konkret für die Verbindung von Arbeiten, Wohnen und Leben?
Ein stabiler, zukunftsfähiger Landkreis entsteht dort, wo Arbeit, Wohnen und Leben im Gleichgewicht sind. Unsere Unternehmen brauchen Fachkräfte – und diese Fachkräfte suchen mehr als nur einen Job. Sie wollen bezahlbaren Wohnraum, verlässliche Kinderbetreuung, kurze Wege, Freizeit- und Kulturangebote.
Standortentwicklung ist deshalb längst keine reine Flächenausweisung mehr. Sie ist eine Querschnittsaufgabe zwischen Wirtschaftsförderung, Raumplanung, Bildung und Lebensqualität. Im Landkreis Pfaffenhofen sieht man, dass dieser Ansatz trägt: Wir haben eine vielfältige Unternehmenslandschaft mit vielen Mittelständlern und Familienbetrieben und gleichzeitig eine hohe Lebensqualität.
Das bindet bestehende Betriebe und macht uns für neue Investoren interessant. Aber: Der Wettbewerb um Fachkräfte wird härter, der Flächenverbrauch muss kontrolliert werden, die Attraktivität des Standorts will täglich neu erarbeitet werden.
GrundBuch: Ein Dauerthema ist der hohe Auspendlersaldo. Wie wirkt sich das aus?
Landrat: Unsere Lage zwischen München, Ingolstadt und Augsburg ist ein Vorteil, bringt aber auch Herausforderungen: Täglich pendeln über 13.000 Menschen mehr aus dem Landkreis hinaus als hinein. Diese Fachkräfte fehlen unseren Unternehmen vor Ort – und ein erheblicher Teil der Kaufkraft wird außerhalb des Landkreises ausgegeben. Dazu kommt eine soziale Dimension: Zeit, die im Auto oder im Zug verbracht wird, fehlt für Familie, Vereine, Ehrenamt und Nachbarschaft. Wenn es uns gelingt, mehr Menschen hier wohnen und hier arbeiten zu lassen, profitieren Unternehmen, Kommunen und Eigentümer gleichermaßen.
Lassen Sie uns über private Eigentümer sprechen. Welche Rolle spielen sie in dieser Gesamtstrategie?
Den privaten Haus- und Grundbesitzern kommt eine Schlüsselrolle zu. Ein Großteil des Wohnraums im Landkreis wird von privaten Eigentümerinnen und Eigentümern bereitgestellt. Private Vermietung ist für uns eine unverzichtbare Säule der Wohnraumversorgung.
Jede einzelne Wohnung, jedes Haus, jede Einheit trägt zum großen Ganzen bei: Sie nimmt Familien auf, zieht Fachkräfte an und stabilisiert soziale Strukturen – gerade in einem Landkreis zwischen mehreren starken Zentren. Wer guten Wohnraum findet, bleibt eher, gründet eine Familie, engagiert sich im Verein und bringt sich in die Gemeinschaft ein.
Und wir dürfen die finanzielle Seite nicht vergessen: Die Anteile an der Einkommensteuer sind eine der wichtigsten Einnahmequellen für unsere Gemeinden. Sie finanzieren Straßen, Schulen, Kitas, ÖPNV und soziale Infrastruktur. Wohnraum ist deshalb nicht nur ein soziales, sondern auch ein finanzpolitisches Schlüsselthema.
Kommunale Wohnungsbaugesellschaften werden oft als Lösung genannt. Reicht das aus?
Kommunaler Wohnungsbau und geförderte Projekte sind wichtig, aber sie decken nur einen Teil des Bedarfs. Das tragende Fundament des Wohnungsmarkts sind die privaten Vermieter. Sie wirken weit über ihr Objekt hinaus: Sie sichern Bestände, ermöglichen Modernisierung, energetische Sanierung und behutsame Nachverdichtung.
Ohne private Investitionen könnten wir weder die benötigten Stückzahlen noch die Vielfalt an Wohnformen – von der Einliegerwohnung bis zum kleineren Mehrfamilienhaus – abbilden. Deshalb ist für mich klar: Haus- und Grundbesitzer sind Partner der öffentlichen Hand. Wir können die Aufgabe Wohnraumversorgung nur gemeinsam lösen.
Viele Eigentümer fragen sich, ob sich Investitionen in Modernisierung oder Neubau bei den momentanen Rahmenbedingungen noch rechnen. Was antworten Sie darauf?
Ich habe großen Respekt vor jeder Investitionsentscheidung in Wohnraum. Die Kombination aus gestiegenen Baukosten, höheren Zinsen, energetischen Vorgaben und teils komplexen Verfahren ist anspruchsvoll.
Gerade deshalb sind zwei Punkte entscheidend: erstens politische Anerkennung – die Leistung der privaten Eigentümer verdient Wertschätzung –, und zweitens bessere Rahmenbedingungen. Wir müssen Verfahren beschleunigen, Planungssicherheit erhöhen und Instrumente nutzen, die Bürokratie abbauen. Ein zentrales neues Instrument könnte die aktuelle Novelle des BauGB („Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“) und hierbei der sogenannte Bau-Turbo sein.
Was steckt aus Ihrer Sicht hinter dem Bau-Turbo, und warum ist er für Ihre Zielgruppe interessant?
Der Bau-Turbo ist neben anderen wichtigen Regelungen Teil des oben genannten Gesetzes. Dieses Gesetz hat die Beschleunigung des Wohnungsbaus und die Erleichterung von Nachverdichtung zum Ziel. Das Gesetz stärkt die Rolle der Gemeinden und soll Bauwerbern die Möglichkeit eröffnen, unter bestimmten Umständen von einigen planungsrechtlichen Vorgaben abweichen zu können.
Können Sie typische Konstellationen nennen, in denen die Gesetzesänderung konkret helfen kann?
Drei Situationen sind besonders interessant, wobei allen drei Konstellationen gemein ist, dass das Vorhaben dem Wohnungsbau dienen und mit Zustimmung der jeweiligen Gemeinde erfolgen muss.
Befreiungen von Festsetzungen eines Bebauungsplans: Es ist künftig einfacher möglich, von Festsetzungen eines Bebauungsplans zu befreien. Es kann also bspw. ein zusätzliches Geschoss möglich werden, obwohl der Bebauungsplan dies so nicht vorsieht - sofern das Vorhaben mit öffentlichen Belangen vereinbar ist und die Interessen des Nachbarn ausreichend berücksichtigt sind.
Aufstockung von Gebäuden im Innenbereich: Mit Zustimmung der Gemeinde kann vom Erfordernis des Einfügens in die nähere Umgebung abgewichen werden und somit mehr Wohnraum durch größere Gebäude, die sich nicht in die nähere Umgebung einfügen würden, geschaffen werden. Auch hier muss das Vorhaben selbstverständlich mit öffentlichen Belangen und dem Nachbarschutz vereinbar sein.
Bebauung in zweiter Reihe: Im Außenbereich kann unter Einhaltung bestimmter Vorgaben Bauen fernab von jeglicher Privilegierung (bspw. Landwirtschaft) ermöglicht werden, wenn ein räumlicher Zusammenhang mit Innenbereichsflächen bzw. Bebauungsplanflächen besteht. So können bspw. Vorhaben in zweiter Reihe ermöglicht werden, die bislang wegen der Lage im Außenbereich nicht realisiert werden konnten.
In allen Fällen gilt: Die Gemeinde behält die Steuerungshoheit. Es gibt keine „Baugenehmigung auf Knopfdruck“, sondern ein – im Vergleich zur Aufstellung eines Bebauungsplans - beschleunigtes Verfahren mit klaren Fristen.
Kritiker warnen davor, dass der Bau-Turbo zu Überverdichtung und Konflikten im Bestand führt. Wie sehen Sie das?
Das neue Gesetz und damit auch der Bau-Turbo sind keine Einladung zum Bauen ohne Regeln. Umwelt-, Natur-, Immissions- und Denkmalschutzrecht gelten weiter. Auch die kommunale Planungshoheit bleibt unangetastet – die Gemeinde muss ausdrücklich zustimmen, sonst greift das Instrument nicht.
Welche Rolle spielt das Kommunalunternehmen Strukturentwicklung Landkreis Pfaffenhofen (KUS) in dieser Gesamtentwicklung?
Das KUS ist unser zentrales Instrument der Standortentwicklung. Es bündelt Unternehmensservice, Fachkräftesicherung, Gründungsberatung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit sowie Lebensraum- und Destinationsmanagement.
Für Eigentümer und Investoren ist das KUS ein wichtiger Ansprechpartner, wenn es um Standortfragen, Netzwerke, Förderprogramme oder die Einbettung eines Projekts in die regionale Entwicklung geht. Wir bringen Unternehmen, Politik und Verwaltung an einen Tisch, stärken die duale Ausbildung und begleiten Betriebe bei Innovation und Transformation. Unsere Zielsetzung ist klar: Der Landkreis Pfaffenhofen soll auch in Zukunft ein Ort mit Perspektive bleiben – für Unternehmen, Fachkräfte, Familien und natürlich für diejenigen, die hier Wohnraum bereitstellen.
Zum Schluss: Welche Botschaft haben Sie an die Leserinnen und Leser von GrundBuch – also an Eigentümer, Vermieter und Investoren?
Landrat: Erstens: Sie sind zentrale Partner für die Zukunft unseres Landkreises. Ohne Ihren Bestand, Ihre Investitionen und Ihren Mut zu Modernisierung, energetischer Sanierung und Neubau wäre eine angemessene Wohnraumversorgung nicht machbar.
Zweitens: Gerade jetzt, in anspruchsvollen Zeiten, braucht es Menschen, die Verantwortung übernehmen – indem sie erhalten, entwickeln und investieren. Mit Instrumenten wie dem Bau-Turbo, mit einer vorausschauenden Flächenentwicklung und mit einem starken Netzwerk vor Ort wollen wir dazu beitragen, dass sich diese Entscheidungen für Sie rechnen.
Drittens: Wohnraumversorgung ist ein Gemeinschaftsprojekt. Private Vermieter, Kommunen, Politik, Wirtschaft und die Menschen, die hier leben möchten, müssen an einem Strang ziehen. Wenn uns dieses Zusammenspiel gelingt, entsteht ein Umfeld, in dem sich Investitionen lohnen – ökonomisch, gesellschaftlich und langfristig auch für den Wert Ihrer Immobilien. Unser Landkreis hat dafür weiterhin großes Potenzial.
